Kirschbananensaft oder auch Vereinbarkeit im Pflegeberuf
Mein Text handelt von der Worklifebalance im professionellen Pflegeberuf…
Um Missverständnissen vorzubeugen, Wikipedia sagt dazu:
Unter der Vereinbarkeit von Familie und Beruf versteht man seit dem 20. Jahrhundert die Möglichkeit Erwachsener im arbeitsfähigen Alter, sich zugleich Beruf und Karriere einerseits und dem Leben in der Familie und der Betreuung von Kindern…
im Dialog mit
Die Gesundheits- und Krankenpflegerin bzw. der Gesundheits- und Krankenpfleger (im allgemeinen Sprachgebrauch Krankenschwester bzw. Krankenpfleger, …) ist ein reglementierter Heilberuf im deutschen Gesundheitswesen.
Am Rande erwähnt: Neue Berufsbezeichnung seit Januar 2020: Pflegefachfrau/mann . Da nun alle Missverständnisse ausgeräumt sind, leg ich mal los.
Ja womit eigentlich? Stellen wir uns den Pflegeberuf und die Familie mal als ein Mischgetränk vor. Kirschbanane. Kiba. Der Bananensaft bietet eine Struktur, die dem Kirschsaft nicht unähnlicher sein könnte. Bananensaft steht für die Pflege und der Kirschsaft für die Familie. Wie schafft man es diese beiden zu vereinbaren? Leicht ist es nicht. War es nicht. Und wird es auch in Zukunft nicht sein.
Folgende Beispiele sind fiktiv und in beliebiger Abwandlung auf die Realität anwendbar:
Bananensaft: Die PflegeAusbildung hast du vielleicht hinter dir gelassen, dich nach dem Examen auf der Station gut eingearbeitet…. Weiterbildungen etc
Kirschsaft: Eine Familie entsteht…😍🤩 Kind(er). Irgendwann ist man an dem Punkt an dem man wieder arbeiten muss (oder möchte, ihr Glückskinder).
Nun müssen Bananen- und Kirschsaft aufeinander treffen um ein adäquates Lebensmodell zu bilden. So it begins. Die Vereinbarkeit von Pflege und Familie! Also die vermeintliche Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie! Naja, wenn ich ehrlich bin der Kampf und die Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie!
Hier eine unvollständige Auflistung der Probleme am Beispiel einer Ein-Eltern-Familie:
Bananensaft Pflege | Kirschsaft Familie |
Schichtbeginn um 6 Uhr früh | Kita/Schule öffnet erst um 7:00 Uhr |
Spätdienst bis ca 22 Uhr | „Holy Shit“ wer holt am Nachmittag das Kind und bringt es ins Bett?? |
Nachtdienste | WTF |
6 Wochen Urlaub | 14 Wochen Schulferien |
*gesammelte persönliche Erfahrungswerte durch Beobachtungen von Pflegekollegen*
Aber auch in Familien mit zwei Elternteilen (stellt euch mal vor was los ist, wenn beide in der Pflege arbeiten) sieht das Ganze nicht wirklich entspannter aus:
- wer arbeitet zu welcher Uhrzeit und wer holt ab oder ist am Nachmittag daheim?
- Gemeinsamer Urlaub, ist das überhaupt möglich?
- Wer bleibt daheim wenn das Kind krank wird?
Hier gilt es auf verständnisvolle Kollegen und Arbeitgeber zu treffen. Oder Sie sich zu suchen. *Zeitarbeitsfirma ich hör dich rufen*
Es gibt auf den ersten Blick keinerlei Möglichkeit diese beiden „Säfte“ zu kombinieren… zu komplex die Vorstellung auf der einen und die Umsetzung auf der andere Seite. Und dennoch gibt es sie, die Kollegen und auch Arbeitgeber die heutzutage vieles Möglich machen. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt wie lange schon Frauen diesen Beruf überwiegend ausüben.
(…) dass Frauen im Mittelalter und bis in die beginnende Neuzeit hinein ihren selbstverständlichen Anteil an der gesellschaftlichen Arbeit hatten. Sie waren niemals ausschließlich in der Familie tätig, … , sondern arbeiteten in der Landwirtschaft in handwerklich und zünftigen Berufen, im Handel, als städtische Beamtinnen, Hebammen, aber auch in den geistigen Berufen, als Lehrerinnen, Ärztinnen, Schreiberinnen usw. … -, sondern weil es selbstverständlich war, dass Frauen allein, zusammen mit ihrem Ehemann oder auch mit andere Frauen für den Lebensunterhalt sorgten.
Dieser Text stammt aus dem Buch „Frauen in der Krankenpflege“ von Claudia Bischoff. Erschienen 1992!!!
Neuerdings hat auch das Bundesministerium für Gesundheit die Familienfreundlichkeit mal wieder entdeckt:
Dies stellt besonders hohe Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie von Pflege und Beruf; und das gerade in einem Bereich, in dem überwiegend Frauen arbeiten. Unterstützung an dieser Stelle kann die Attraktivität des Pflegeberufs stärken und trägt der besonderen-, , kritischen Beschäftigungssituation in dem Arbeitsfeld Altenpflege Rechnung. Deshalb werden als Impuls für sechs Jahre zielgerichtet Maßnahmen in der Kranken- und Altenpflege finanziell unterstützt, die „besondere Betreuungsbedarfe“ etwa jenseits der üblichen Öffnungszeiten von Kitas abdecken oder die auf andere Weise die Familienfreundlichkeit fördern.
Denn familienfreundliche Arbeitszeiten, oder gar eine integrierte Kinderbetreuung zu den Arbeitszeiten der Pflege Mitarbeiter oder FERIENBETREUUNG für Schulkinder sind leider bei vielen Arbeitgebern Fremdworte. Aber nachdem der Mangel an examiniertem Personal über die letzten Jahre noch deutlich zugenommen hat fängt langsam ein Umdenken bei den Arbeitgebern an.
Man erschafft extra einen Dienstbeginn ab 8 Uhr und erlässt Wochenenddienste. Wie das RLP Pflegemagazin interviewt: „..haben wir es dann hinbekommen, dass sie erst um 8.30 Uhr mit dem Dienst beginnt und am Wochenende in der Regel nicht arbeitet.“
Vor allem in der Altenpflege, dem noch größeren Personalmangel-Sorgenkind, zeigt man sich engagiert:
„Viele unserer Einrichtungen haben auf den Bedarf ihrer Mitarbeiter und den Fachkräftemangel reagiert und Angebote zur Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege eingeführt. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Arbeitgeber mit familienfreundlichen Angeboten heben sich am Arbeitsmarkt ab und haben eine auffallend geringe Mitarbeiterfluktuation. Dies führt auch zu einer höheren Kundenzufriedenheit und einer verstärkten Dienstleistungsnachfrage“, betont bpa-Präsident Bernd Meurer“
zu lesen im HCM-Magszin.
Nichts geht über Studien, selbstverständlich gibt es auch hierzu eine aus dem Jahr 2014:
Dass Vereinbarkeitsangebote Beschäftigte binden, spiegelt sich unter anderem darin wider, dass fast 80 Prozent der Befragten einen positiven Zusammenhang zwischen gesicherter Betreuung und Arbeitszufriedenheit sehen. 54 Prozent sind zudem der Auffassung, dass familienfreundliche Aktivitäten die Produktivität der Beschäftigten erhöhen.
presseportal
Auch die Landesregierungen bemühen sich etwas beizutragen
Die Bayerische Staatsregierung hat deshalb gemeinsam mit der bayerischen Wirtschaft (der Bayerische Industrie- und Handelskammertag e.V., die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. und der Bayerische Handwerkstag e.V.) den Familienpakt Bayern geschlossen. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Bayern weiter verbessern sowie die Arbeitgeberinnen und -geber bei der Umsetzung familienbewusster Maßnahmen unterstützen.
Stellenanzeigen werden durchaus immer mehr unter dem Aspekt der Vereinbarkeit formuliert, Ferienbetreuungen sind in manchen Kliniken seit Jahren etabliert. Doch leider ist dies nicht flächendeckend zu finden. Und darum gehts doch eigentlich. Es muss normal sein.
KiBa muss NORMAL sein. ALLTAG sein. Man sollte keine sinnlose Energie aufwenden müssen um in diesem kräftezehrenden Job, mit dem man einfach sein fucking Geld verdient, regelrecht um Vereinbarkeit kämpfen zu müssen. Elternteile reißen sich zum Teil „ein Bein aus“ um alles unter „einen Hut“ zu bekommen.
Und nun sind wir auch schon tief drin im Thema Mentalload.
Eine auf den Punkt gebrachte Aussage gibt es auch von, meinerseits hoch geschätzten, Martina Hasseler
Aus eigener Erfahrung kann ich als Alleinerziehende mit drei Kindern und im Pflegeberuf tätig berichten… Ja was kann ich zur Vereinbarkeit berichten? Man erwartet von uns Loyalität gegenüber den Arbeitgebern, keine negative Berichte außerhalb den heiligen Mauern.
Dann werde ich mal versuchen diesen Ansprüchen an eine persönliche Berichterstattung gerecht zu werden.
Aber hey, am Ende wird alles gut. Nur nicht aufgeben.
Grüße MafriLi
Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinbarkeit_von_Familie_und_Beruf
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesundheits-_und_Krankenpfleger
https://www.dbfk.de/de/themen/Bildung.php
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/115606254
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/sofortprogramm-pflege.html
https://www.pflegemagazin-rlp.de/flexibilitaet-schafft-familienzeit
https://www.hcm-magazin.de/familienfreundliche-personalpolitik-in-pflegeberufen/150/10739/318206
https://www.presseportal.de/pm/17920/2782340
https://www.familienpakt-bayern.de/
Liebe @mafriLi, Danke für Deinen Artikel. Das man Zeiten anpassen MUSS -in der AP- tätig, erlebe ich seit einigen Jahren selbst. Und, welch Wunder, es funktioniert für beide Parteien 😏
Liebe MaFriLi,
herrlich zusammengetragen. Wie nicht anders zu erwarten.
Nun bin ich ja Anfang 2018 vom konservativen Bayern ins post-sozialistische Thüringen emigriert. Hier ist vieles besser aber nicht alles gut. Die Tatsache, dass es Schichtarbeit gibt wird offenbar bei der Organisation der Kindesbetreuung weitesgehend ignoriert – ja, wir arbeiten BEIDE in der Pflege.
Meine Wirkungsstätte in Bayern war sogar so kühn, sich selbst das Prädikat „Familienfreundlicher Arbeitgeber“ zu geben – tja, an die größte Berufsgruppe wurde dabei nicht gedacht. Entweder ist es ein unlösbares Problem, oder es wird – wie es Martina Hasseler ja auch andeutet – als „nicht so wichtig“ betrachtet