Wie gut wir vorbereitet sind..

Twitterumfrage: Glaubt ihr allgemein, dass das Gesundheitswesen gut vorbereitet ist? 3,5% Ja. 96,5% Nein.

Irgendwann im April gab es einen Moment bei mir, da wäre ich gerne geplatzt. Geplatzt ob der Ignoranz mancher (Gesundheits-)Politiker und der immer gleichen Aussage „Es sind noch genug Intensivbetten frei..usw“. Wie alle wissen, so ein Intensivbett, das pflegt und versorgt ganz hervorragend den in ihm liegenden Patienten – nicht. Dafür braucht es professionelles pflegerisches und ärztliches Personal (plus Physiotherapie usw.!). Dieser Sprech hat bis heute nicht aufgehört, es geht nur munter weiter. „freie Intensivbetten“ werden als Indikator genutzt, dass es ja grade nicht so schlimm ist bei uns. Warum es Unsinn ist, nur auf diese eine Zahl zu schauen, zeigt sich in Madrid momentan wieder in erschreckender Deutlichkeit – hier eine Einschätzung von der klugen @drZoeHyde

Da dieser Fakt jetzt geklärt ist (hoffe ich), kommen wir zu Jens Spahn und sein beliebtes Fraiming in Bezug auf Intensivbetten und möglicher Toleranz von Infektionszahlen. Im Deutschlandfunk sagt er am 21.09.2020 folgenden Satz

„Man könne die Zahl der Intensivbetten besser steuern als noch im Frühjahr, so Spahn. Viele Kliniken hätten zudem die Zeit genutzt, um zusätzliches Personal auszubilden und zu schulen. „Wir sind deutlich besser auf alles vorbereitet, was kommen kann, als wir es im Frühjahr waren.“

https://twitter.com/DLF/status/1307914662797881344?s=20

worauf hin wir eine kleine nicht repräsentative Umfrage gestartet haben.

Wir waren erstmal wieder „normal genervt“ von dem „Intensivbetten“ Gerede (siehe oben) und dann aber auch etwas amüsiert irritiert über seine Behauptung bzgl. der Ausbildung und Schulung zusätzlichem Personals.

Zunächst stellt sich die Frage, woher kommt das Personal? War da nicht was? Pflegenotstand? Personalmangel? (Anderes großes Thema) Dazu nur kurz diese Stimme @ThLubin

Weil wir uns nicht vorstellen konnten, woher Spahn seine Informationen her hat, wollten wir mal schauen, wie es so „in real“ aussieht. Also mal Butter bei die Fische

Ok. Es gab wenig Schulungen, aber scheinbar einige „allgemeine Schulungen“ bzgl. Covid-Patienten. Einige haben uns auch in den Kommentaren berichtet, wie oder was diese Schulungen beinhalteten, Danke @mirkonils & @NicoleTaubitz

Ok, also Steckdosen, Betten & Beatmungsgeräte (!) und erste Hilfe Kurse. Auch Hospitationsdienste ohne Struktur –

„..mal mitgegangen mit einer Kollegen, die Weisheiten der Beatmung, ihren Parametern, ihren Grenzwerten und Geheimnissen der Dialyse erläutert in 2x 8h[…]

keine Pflegetätigkeiten alleine ausgeführt, keine Dokumentation, kein Systemwechsel..“

@pflegearzt

um dann natürlich problemlos Covid-Patienten versorgen zu können. Spannend auch im zweiten Beispiel, dass die tatsächliche intensivmedizinisch/-pflegerische Versorgung der Patienten nicht geklärt ist. Was ist, wenn vermeidlich „stabile“ Covid-Patienten plötzlich instabil werden? Die Personalfrage ist damit nicht geklärt. Aber es gibt ja Betten – schön. Wie viele eigentlich bei euch?

(für genaue Zahlen gibt es ja das DIVI Register https://www.intensivregister.de/#/index)

Das spiegelt mal eure Intensivbelegung an dem Tag wieder. Wir alle wissen, wie schnell es sich ändert. Aber über 50% voll, das bedeutet ja momentan (noch) viele Patienten ohne Covid, die ganz „regulär“ da liegen und man da nicht rauskehren kann, falls jetzt plötzlich wieder mehr Covid-Patienten kommen.

Was bedeutet das aber für das Personal vor Ort? Wenig Betten, wenig Schulungen? Wir haben gefragt, ob sich das „geschulte“ Personal jetzt sicher fühlt. Steht für sich.

Um das Stimmungsbild zu vervollständigen, haben wir noch eine weitere (ggf. provokante) Frage gestellt, die wir uns vermutlich alle seit Februar stellen und meistens mit einem bitteren Geschmack mit „Nein“ beantworten. Wir wissen um den Preis, den das Personal dafür bezahlen muss, damit es ein „JA/Ist gutgegangen“ wird.

Auch das bedarf kaum einer Kommentierung. Würde mich freuen, wenn das einige Fachfremde, womöglich auch Zweifler oder Optimisten sehen. Die, die jeden Tag im System arbeiten – die sehen, dass das Gesundheitssystem nicht gut vorbereitet ist. Natürlich liegt es mir fern, Panik zu verbreiten und ja, unsere Gesundheitsversorgung ist grundsätzlich sehr gut. Problem in der Pandemie ist die Menge an Patienten zu einem Zeitpunkt und die mögliche Infektion des Personals. Diese Kombi ist nie gut. Und das alte Gedankenspiel, wenn alle Betten voll sind & ihr einen schweren Autounfall habt… dann ist eure Chance, das Ganze (gut) zu überleben auch im „besten System der Welt“ nicht mehr so gut.

Also können wir die Aussage von Herrn Spahn etwas differenzierter sehen – auch wenn es natürlich nur ein kleines Bild ist.

danke an alle, die mitgemacht haben, danke an eure Anmerkungen und Beträge.

Weil wir ja nicht nur ranten wollen, sondern auch überlegen, wie könnte man es denn besser machen – hier eine unvollständige Liste, was man in Schulungen für wen machen könnte..

„Das An- und Ausziehen der PSA erfordert Trainieren und Lernen im Buddy-System zur Vermeidung von Kontamination durch falsche Anwendung der PSA (s. CDC-Empfehlungen)“

(Schnitzbauer, A.A., Kempf, V.A.J., Hack, D. et al, 2020)

  • Informationsschulungen über das eigene Verhalten am Arbeitsplatz und privat bei (ungeschützem) Kontakt (siehe RKI Richtlinien https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/HCW.html )
  • Information/Schulung zur Testung von Patienten ( RKI https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html )
  • Reanimationkurs für alle, an der Versorgung und Transport beteiligten Berufsgruppen als Auffrischung und unter dem Aspekt der Hygieneschutzrichtlinien zum Selbstschutz (ALS/PALS etc)
  • Beatmungsauffrischung/-Schulung für alle, die an der intensivpflegerischen/medizinischen Versorgung direkt beteiligt sind
  • spezielle Schulung auf das Krankheitsbild ARDS/Covid ausgelegte Therapien/Versorgungsfeinheiten, die im Rahmen der noch jungen Forschungsergebnisse entstanden sind für alle, die direkt in der intensivpflegerischen/medizinischen Versorgung beteiligt sind
  • Möglichkeiten schaffen, die erhöhten Belastungen aufzufangen (Dienstplanmanagement, „Bonus“, Ausgleichsmöglichkeiten schaffen , Urlaub gewährleisten..usw) das richtet sich mehr ans Management

bleibt gesund, denkt an AHA und ich freue mich auch wieder über eure Kommentare.

Bundesministerium für Gesundheit

Literatur

Schnitzbauer, A.A., Kempf, V.A.J., Hack, D. et al. SARS-CoV-2/COVID-19: Systematischer Review zu Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung bei primärem Patientenkontakt und Strukturierung des Operationsbereiches. Chirurg 91, 576–585 (2020). https://doi.org/10.1007/s00104-020-01229-0

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