Gastbeitrag: Landärztin und Pflege

Was hat eine Landärztin überhaupt mit Pflege zu tun? Mehr, als man denkt, und darum schreibe ich hier mal darüber.

Wenn wir unsere Patient*innen aus dem Krankenhaus zurückbekommen, berichten sie meist mehr von der Pflege als von der ärztlichen Betreuung. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Assistenzärzteschaft in unserem ländlichen Haus oft noch ein gravierendes Manko an Deutschkenntnissen hat und wenig Kommunikation stattfindet, aber liegt natürlich auch daran, dass das Pflegepersonal viel engeren Umgang mit den Kranken hat. Ja, es ist wichtig, dass es warmherzig und kompetent ist, und natürlich sollte es auch angemessen bezahlt werden.

Was aber in den Diskussionen um bessere Entlohnung oft vergessen wird: Unsere MfA- Tarife lehnen sich an die Pflegetarife an, und die derzeit mancherorts von der Pflege geforderten „Mond- Löhne“ können wir definitiv nicht bezahlen! Dabei leisten auch unsere MfA Überdurchschnittliches: Sie tragen viel Verantwortung, müssen viel wissen und sogar rechnen können und dann auch noch immer warmherzig sein. Ich liebe jede einzelne von ihnen, und ja, sie hätten ein höheres Gehalt verdient! Wir bezahlen gern übertariflich (erst jetzt, durch die Coronaeinbußen, tun wir das vorübergehend nicht mehr), aber mehr ist nicht drin, wenn man eine Praxis mit ausreichend Personal wirtschaftlich sinnvoll führen will.

Ach, Corona…. Da sind wir Landärzt*innen ganz schön belastet. Erst mussten wir Unmengen Schutzmaterial zu überhöhten Preisen kaufen, dann sollte uns alles erstattet werden, was wir im April erworben hatten. Aber das war ein Aprilscherz: Natürlich mussten wir alles schon im März kaufen und bleiben so auf den Kosten sitzen. Wir räumten unseren Anbau leer und richteten eine Infektionssprechstunde ein, zu der jeder geladen wird, der auch nur ein „Schnüpfchen“ hat. Trotzdem trauten sich viele Patient*innen nicht mehr in die Praxis, so dass die (unbudgetierten) Vorsorgen reihenweise flach fielen und der Umsatz nach unten rauschte. Wir sollten erstattet bekommen, was unter 15% Umsatz fiel, aber hey: Das wären schon unter 30% des Gewinns, und so haben wir gestrampelt, um da nicht runter zu fallen. Keine Erstattung also, aber auch keine Entlassungen nötig.

Unsere MfA am Empfang machten die härtesten Zeiten durch, als man noch jeden Zweiten auffordern musste, die Maske auch über die Nase zu ziehen. Das ist zwar besser geworden, aber die Leute werden immer genervter, und ja, die Chefinnen manchmal auch. So kommt zu der privaten psychischen Belastung auch die berufliche, obgleich wir uns alle Mühe geben, nett miteinander zu sein. Fällt ja auch eigentlich leicht bei dem tollen Team, aber die Umstände sind blöd.

Jede Praxis hat die Patient*innen, die sie verdient, und so haben wir sehr viele liebenswerte. In der Kleinstadt bleiben sie Jahrzehnte treu, und man kennt sich. Weiß, dass doch damals schon „die Omma wat mit Schweinebergs Jupp hatte“ und dass man nicht bei der Kirmes halbnackt auf dem Tisch tanzen darf, weil das sonst alle im Kaff wissen. Wir kriegen italienischen Kuchen, ungarischen Wein und gestrickte Babysöckchen geschenkt und freuen uns, dass in ruhigeren Zeiten auch mal Zeit für ein paar private Worte bleibt. Meine Hoffnung, dass das dauernde Trepperennen zum und vom Anbau die Wirkung der üppig geschenkten Schokolade wieder aufhebt, hat sich nicht erfüllt. Aber die Coronazahlen in unserer Patientenklientel bleiben überschaubar, und keiner hat sich bisher bei uns oder gar von uns angesteckt. Wir laufen aber ein bisschen auf der letzten Rille, darum eine ganz große Bitte: Lassen Sie sich alle impfen!

Dass gerade in der Pflege unfassbare Fehlinformationen die Impfwilligkeit teilweise deutlich verringern, mach uns echte Sorgen. Bitte informieren Sie sich aus seriösen Quellen und helfen Sie uns, diese Pandemie bald zu überwinden. Ich würde sofort den Ärmel aufrollen, wenn ich an ein Impfserum für mich käme! Aber obgleich wir täglich Abstriche machen, von denen immer wieder welche positiv ausfallen, kommen wir wohl erst in 2 Monaten dran.

Bis dahin bleiben Sie gesund, vergessen Sie bitte nicht, dass es nur im Team geht (Ärztebashing führt ebenso wenig weiter wie Pflegenörgelei) und lassen Sie uns zusammen weiter an einer guten Versorgung und an einem guten Miteinander arbeiten! Ich freue mich darauf.

Ihre Frauke Gehring

Bild von jennycepeda auf Pixabay

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