70 Kerzen – Corona ist vorbei (oder?)
Ein Samstagnachmittag in einem Kinderzimmer. Zusammen mit K2 sitze ich vor der Switch, wir bonden über eine Partie „Super Mario World“, ich zeige ihm, wo der grüne Schalterpalast ist, wir reden über die Schule, das Fahren mit dem Longboard und über Corona. Er weiß, dass ich im Krankenhaus arbeite, gelegentlich fragt er mich, ob ich xy kann, und gelegentlich entkommt ihm ein „…… cooooooool!“ wenn ich bejahe, xy zu können. Er befragt mich über Covid19, ich sitze ja an der Quelle, und seine Mutter – meine Exfrau – war selbst erkrankt aber mit einem sanften Verlauf gesegnet. Ja, es gibt gerade Impfstudien an meiner Klinik, ich traue mich nicht mitzumachen „Warum Papa?“ Weil es normalerweise zehn Jahre dauert um ein Medikament oder eine Impfung zu entwickeln, ich habe ein wenig Respekt und Angst. Zehn Jahre! Die Zahl rattert durch sein Gehirn und er begreift, dass dies eine Zeitspanne ist, so lange wie sein eigenes bisheriges Leben!
Aber zum Glück ist Covid19 ja vorbei
Im März war die Republik wie ausgestorben. Die Straßen leer, die Geschäfte geschlossen. Ja, die Wirtschaft, dass das nicht gesund ist für Ladeninhaber, Busbetreiber und Anbieter von Dienstleistungen – auch Gesundheitsdienstleister – ist klar, ich will mich nicht darüber lustig machen, doch dies zu bewerten und zu analysieren ist nicht mein Metier.
Man hatte Respekt, sicher sogar etwas Angst, vor der unbekannten neuen Seuche auf der Welt. Markus Söder war ein gefeierter Held für seine klugen, moderaten Maßnahmen. Ich bin mit Herrn Söder sonst alles andere als politisch kompatibel, doch Ehre wem Ehre gebührt und Anerkennung dem, der das Richtige tut.
Es wurde getan, es wurde geforscht, inzwischen wissen wir: Aerosol ist ein wichtiger Faktor, Social Distancing (der Verzicht auf unnötige Kontakte mit anderen Menschen) und das korrekte Tragen eines Mund-Nasenschutzes wurden zu wirksamen Maßnahmen „erklärt“.
Erklärt? Nein, dafür haben wir Wissenschaft. SD und MNS sind für das Abebben der ersten Welle verantwortlich. Das ist messbar, spürbar, überprüfbar und im Ergebnis übertragbar. Und zum Glück gibt es Menschen wie Prof. Cornelia Betsch – Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt – die regelmäßig interessante Artikel veröffentlicht oder verbreitet. Zum Beispiel zum Zuspruch von Maßnahmen in der Bevölkerung.
Moment mal? 77% ist das realistisch? Es kommt einem zumindest anders vor. An dieser Stelle sein skeptisches Obacht: Der Mensch erinnert sich besser und häufiger an Momente, in denen er aufgewühlt war und sich geärgert hat, als an Erlebnisse, in denen nichts Besonderes passierte.
Stubenarest ist vorbei – geht spielen!
Und so blieb die Maskenpflicht, die Einschränkungen wurden aber nach und nach aufgehoben. Man fuhr in den Urlaub (ist ja nicht mehr verboten, also muss es erlaubt sein) und die 1,5m Abstand beim Einkaufen waren plötzlich auch mehr so eine Empfehlung…. Und immer wieder Proteste von Carbidlampen besorgten Bürgern, die sich und ihre Grundrechte in Gefahr sahen. 13 Milliarden Demonstranten (ofizielle Schätzung vong irgend 1 Oranisator) sollen es zum Beispiel im August in Berlin gewesen sein.
Denn Corona war nur eine Lüge
um unsere Wirtschaft zu zerstören, uns mit Masken als Sklaven zu kennzeichnen. Wahrscheinlich die Eliten, womöglich die Reptiloiden, womöglich aber auch Donald Trump, der für leere Straßen sorgen will, damit er die gefangenen Kinder in den Kellern der Andrenochrome-Farmen befreien kann.
Wenn Sie sich jetzt denken, hat derSiS Gase eingeatmet? Nein. Aber Glückwunsch, Sie treiben sich nur auf der guten Seite des Internets herum. Diese Verschwörungsmythen sind nur ein paar Farbtupfer in dem Bunten Strauß an Hirngespinsten. Wie gut man mit solchen Leuten reden kann, hat ZDF-Moderatorin Dunja Hayali eindrucksvoll in einem 40minütigem Instagram-Livestream gezeigt.
Zum Glück ist alles gut
Nun, da Sie, verehrte Lesende, mit genügen Backinfos beladen sind, kommen wir nun zum Punkt. Ich werde nicht weiter Hintergründe liefern, jetzt wird gnadenlos debunkt. Keinen dieser Punkte habe ich mir ausgedacht:
Deutschlands Intensivstationen sind bestens ausgerüstet
Darf ich Ihnen ein Lied beibringen? Es heisst „Betten pflegen keine Menschen„. Singen Sie einfach diesen Satz in beliebigem Tempo in einer gekreischten, schrillen Melodie Ihrer Wahl. Deutschland ist ein reiches Land. Notfallausrüstung wird gerade überall auf der Welt teurer, dennoch können wir es uns leisten, mehr Beatmungsgeräte und Intensivbetten zu kaufen. Das hilft nur leider nichts, wenn niemand da ist, der die Geräte bedient – bzw. bedienen kann, Beatmung ist eine sehr frickelige Angelegenheit! – und die Menschen pflegt, die in den Betten liegen. Dass Deutschland, verglichen zu anderen Ländern, einen viel zu straffen Kurs beim Verhältnis Patient<-> Pflegekraft fährt ist keine Neuheit.
Die Kliniken sind doch alle leerer als sonst
Das stimme eine zeitlang, also teilweise, also nicht überall, also wirklich nur vereinzelt. Ich kann nur für mein Haus sprechen: Im März wurden elektive (planbare) Eingriffe zurückgefahren. Nicht von allen Abteilungen aber den Meisten. Eine komplette Normalstation wurde für Covid-Fälle leer geräumt, Fachbereiche zusammengelegt, Intensivbetten vorbehalten, Material von Normalstation auf Intensivstation gekarrt. Betten gesperrt, um auch in den Zimmern den Abstand von 1,5m einhalten zu können. Aber eben nur für eine Zeit und nicht überall.
Entgegenhalten kann man dem zwei Dinge:
Erstens: Auch wenn man die Elektiven Eingriffe verschiebt – was bedeutet, dass Menschen auf unbestimmte Zeit erstmal weiter mit ihren Beschwerden leben müssen – so bleiben doch die Notaufnahmen. Letztere sind in der Regel die aufwändigeren Patienten, an der Arbeitsbelastung ändert dies also recht wenig.
Zweitens: Selbst wenn(!) es durch weniger Patienten zu Arbeitsentlastungen kommen würde(!), bedeutet das nur(!), dass wir es plötzlich mit einem Pflegeschlüssel zu tun haben, der gnädiger ist als sonst, und für den uns unsere europäischen Nachbarn weiterhin auslachen würden.
Inzwischen herrscht auf den meisten Stationen in der Republik wieder relativer Normalbetrieb.
Covid ist nicht schlimmer als eine Grippe
Gegen die Grippe kann man impfen, gegen die Grippe gibt es Medikamente. Die echte Influenza ist gut erforscht und behandelbar. Und doch sterben jedes Jahr Tausende daran.
Covid19 ist ein Virus, an dem noch geforscht wird, teils mit unangenehmen neuen Erkenntnissen, was Krankheitsbild und Immunität betrifft. Wir haben jetzt gerade die ersten Impfstoffe, wir haben ein paar experimentelle Behandlungsmethoden. Es erkranken im Moment weniger Menschen an Covid19 als an der Grippe, doch es sind immer noch Patienten aus der ersten Welle in Behandlung auf den Intensivstationen.
Es ist Ende August. Die Influenza kommt in wenigen Wochen wieder zu uns. Dann haben wir zwei potentiell tödliche und ansteckende Atemwegserkrankungen bei uns. Prost Mahlzeit!
Covid19 fällt nur auf, wenn man danach sucht
Jetzt reden wir über „Übersterblichkeit“. Wir wissen genau, wie sich überall auf der Welt die Bevölkerung normalerweise entwickelt. Wir wissen statistisch, wie viele Menschen geboren werden und wie viele Menschen sterben – woran auch immer. Im Moment sterben überall auf der Welt statistisch mehr Menschen als sonst. Dies nennt man „Übersterblichkeit“, eine statistisch messbare Größe. Zugegeben, eine undifferenzierte Größe.
Woran plötzlich mehr Menschen sterben als sonst, sagt uns die Zahl nicht. Sie sagt aber eindeutig, messbar, überprüfbar: Irgendwas ist anders! Und wenn man sich in einem Raum voller Schlangen befindet, überall Tote herumliegen, kann man entweder fieberhaft versuchen herauszufinden, warum alle tot sind, oder es liegt höchstwahrscheinlich an den Schlangen.
Niemand stirbt an Corona
70 Pflegepersonen sind seit Beginn der Pandemie in Deutschland gestorben.
Siebzig
Menschen, die ihre Arbeit getan haben, ihre Pflicht. Menschen, die wussten was sie taten und sich mit dem Material schützen, das ihnen zur Verfügung stand. Menschen, die Familie, vielleicht Kinder hatten.
In all der Zeit – behütet in der Mitte der Republik mit sehr geringen Infektions- und Todesraten – gab es bei mir drei Schockmomente, in denen man zusammengezählt hat, wie viele Menschen man die letzten zwei Wochen getroffen hat. Zum Glück hat sich nichts bestätigt.
Diese siebzig Menschen hatten nicht dieses Glück. Und 10.000 weitere in Deutschland auch nicht. Und 755.000 weltweit (19.08.20, Quelle: WHO)
Zusammenfassung
There is no glory in prevention. Bislang sind wir in der Bundesrepublik mit ein paar blauen Augen davon gekommen. Es war anstrengend wie immer, es war für uns in den Heilberufen unsicherer als sonst. Das System ist nicht zusammengebrochen – zumindest nicht mehr als sonst. Wir wissen nicht, ob es ohne schnelle Maßnahmen hätte anders laufen können, aber wir wissen aus unseren Nachbarländern, wie es dort anders gelaufen ist.
Hierzulande wird darüber diskutiert und auch abgemahnt, ob Zoom verwendet werden darf, wegen Datenschutz, ob ein Bonus ausgezahlt werden kann obwohl das in den Tarifverträgen nicht vorgesehen ist. Wenn man sich diese „Probleme“ des Tagesgeschäfts so ansieht, kommt man auf den Gedanken, dass es so schlimm nicht sein kann. Auch in einer Jahrhundertpandemie muss schließlich alles nach Vorschrift laufen.
IMHO sind die großen Baustellen dieser Tage die Schulstarts und nach wie vor die Knappheit und der Wucher bei der Persönlichen Schutzausrüstung. Dies sind politische und organisatorische Probleme, die gelöst werden können.
Den MNS am Kinn zu tragen und gedankenlos durch die Welt zu reisen ist kein politisches Problem: Es ist ein persönliches!
Die zweite Welle rollt gerade an. Sie ist nicht allein das Werk der „Covidioten“ sondern all jener, die jetzt zurück zur Normalität übergehen, als wäre nie etwas gewesen. Es liegt an uns, wie wir uns verhalten, wie wir aus dieser Krise herauskommen.
Tibelbild von Jill Wellington auf Pixabay